Fast ein Jahr Carsharing – ein kleiner Erfahrungsbericht
[PERSÖNLICHER ERFAHRUNGSBERICHT / KEINE WERBUNG] Im Mai letzten Jahres fing es auf einmal an zu ruckeln. Der Peugeot meines Freundes, den ich bis dahin immer mitbenutzen durfte, gab den Geist auf. Er hatte quasi Schluckauf – irgendwas am Motor kaputt. Jedenfalls hatte er immer mehr Aussetzer. Dann lag auch noch bald der TÜV an, dafür hätte man auch nochmal dies und das reparieren lassen müssen. Kurzum: wirtschaftlicher Totalschaden.
Wir verkauften den Wagen also für sensationelle 150 Euro an einen Gebrauchtwagenhändler und fuhren mit den Bus nach Hause. Ein neues Auto, soviel war klar, müsste schon irgendwie umweltfreundlicher sein als der alte Diesel, den wir gerade verschleudert hatten. Ein Hybrid zum Beispiel. Und schwupp bewegten wir uns in Preisklassen um die 10.000 Euro – für eine Blechkiste, die wir doch eigentlich nur am Wochenende brauchten.
An irgendeinem Punkt in unserer Suche habe ich dann mal eingeworfen, ob für uns nicht Carsharing Sinn ergeben würde. Anfangs rechneten wir das Angebot eher scherzhaft durch, als wir aber merkten, dass das eine sehr attraktive Lösung ist, dachten wir ernsthaft darüber nach.

Denn warum sollten wir ein Auto haben, dass zu 90, wenn nicht zu 95% nur einen der begehrten Parkplätze in unserem Viertel blockiert und kaum genutzt wird?
In Kiel gibt es eigentlich nur einen großen Anbieter für Carsharing. Der heißt StattAuto ist eine Genossenschaft, die 1991 mit einem Auto und 20 Mitgliedern gestartet ist. Inzwischen hat sie um die 600 Mitglieder und über 3.600 Nutzer in Lübeck, Kiel und Umgebung, die sich etwa 170 Autos teilen.

Darüber hinaus gibt es noch auf Privatpersonen basierte Carsharing Modelle, bei denen das eigene Auto Teil der Shared-Economy wird. Da war uns allerdings schnell klar, dass das nichts für uns sein würde.
StattAuto hingegen haben wir genauer unter die Lupe genommen. Das Angebot gliedert sich hier in zwei große Teile: – Die StattAutos, die an Stationen in ganz Kiel verteilt stehen und die man sich mit einem festen Zeitrahmen buchen kann. – Die Car.Los-Autos – 12 kleine VW UPs, die in Kiel verteilt stehen und die man sich spontan und bis zu drei Tage schnappen kann (ein bisschen wie Car2Go).

Man zahlt bei einer Buchung je nach Autogröße sowohl einen Stunden- als auch einen Kilometerpreis, hinzu kommt ein Monatsbeitrag von 8 Euro und eine Kaution von 500 Euro, die hinterlegt werden muss. Soweit die Basics. Alle Infos dazu findet ihr hier.
Wenn man alles zusammenrechnet, dann kommt man bei unserer Nutzung in etwa bei den Haltungskosten für ein eigenes Auto raus – nur halt ohne den Anschaffungspreis. Also haben wir’s einfach mal ausprobiert!
Die Vorteile liegen auf der Hand: keine Autoversicherung mehr, keine unvorhersehbaren Reparaturkosten, man muss sich keine Gedanken mehr über die Benzinpreise machen, bei den StattAutos hat man immer einen Parkplatz, kein Bangen mehr über den TÜV, keine nervigen Reifenwechsel, und und und.

Nachteile: eine lange Nutzung kostet richtig Geld. Wenn wir also mit dem Auto in den Urlaub wollen, lohnt es sich eher den Zug zu nehmen oder aber einen regulären Mietwagen. Man gewöhnt sich aber ehrlich gesagt schnell dran und gemeinsam mit dem Zug zu fahren ist echt entspannter, als über die Autobahn zu brettern. Auch an die etwas limitierte Spontanität gewöhnt man sich – mit der Zeit hat man raus, wie lange man ein Auto genau buchen muss, damit es hinhaut (in der Regel kann man auch verlängern, wenn keiner nach einem das Auto gebucht hat). Ist man doch mal unsicher, schnappt man sich halt einen Car.Los.
Anfangs war es irgendwie umständlicher als sonst, so ohne eigenes Auto. Aber mit der Zeit groovt man sich ein. Man merkt, dass viele Strecken, die man vorher mit dem Auto gefahren ist, locker zu Fuß, mit dem Rad oder dem Bus machbar sind. Allgemein nutzt man die öffentlichen Verkehrsmittel mehr – zum Beispiel um nach Hamburg zu kommen. Da haben wir früher immer das Auto genommen – inzwischen würde ich nicht mehr darüber nachdenken und mir sofort ein Bahnticket ziehen (außer die Bahn ist mal wieder kaputt ;).

Ich muss sagen, dass ich echt begeistert bin. Hier im Stadtteil Schrevenpark hat man ziemlich viele stationäre StattAutos. Im Umkreis von 5 Gehminuten sind es glaube ich drei oder sogar vier Stationen mit jeweils mehreren verfügbaren Automodellen. Bisher habe ich immer, wenn ich ein Auto brauchte – auch kurzfristig – das Modell bekommen, was ich haben wollte. Besonders praktisch finde ich, dass man sich aus dem Pool auch mal einen Bus oder Kastenwagen ausleihen kann, falls ich mal wieder etwas für ein DIY-Projekt brauche. Für den Stadtverkehr schnappe ich mir eigentlich immer einen VW Up, für längere Strecken ein etwas größeres Auto – z.B. einen Renault Clio. Was ich gern nochmal ausprobieren möchte, sind die Elektroautos, die ebenfalls verfügbar sind. Manchmal ist es halt so, dass kein Car.Los in der Nähe ist, weil alle am anderen Ende der Stadt rumstehen. Aber so ist das halt. Dann bucht man sich eben einen stationären Wagen. Die Buchung läuft übrigens ganz einfach via App oder am Laptop. Auch eine telefonische Buchung ist möglich.

Ich glaube, ich, bzw. wir sind für dieses Carsharing-Modell genau die richtige Zielgruppe. Wir brauchen das Auto nicht regelmäßig, wollen aber dennoch ab und zu wohin fahren können. Ich glaube für Pendler ist es auf Dauer dann doch zu teuer und bei täglicher Nutzung ist ein eigenes Auto vermutlich unverzichtbar. Braucht man das aber nicht, ist Carsharing echt eine super Lösung. Die Autos sind in der Regel sehr sauber und – was für Familien nicht ganz uninteressant dein dürfte – in jedem Auto befindet sich ein Kindersitz. Haustiere, wie zum Beispiel einen Hund, muss man vor der Nutzung bei Stattauto melden und natürlich dafür sorgen, dass der Vierbeiner kleine bleibenden Spuren im Wagen hinterlässt (ist ja logisch.).
Bisher hatten Wir bleiben auf jeden Fall erstmal dabei!